Kirche und kirchlich-religiöse Ausdrucksformen sind immer Teil des sie umgebenden kulturellen Umfelds. Dabei sind beide- Kirche und Kultur- wechselseitig aufeinander angewiesen und prägen einander auch in einem dialogischen Prozess.
Kultur ist kein Ersatz für Kirche oder ihr kirchliches Handeln und dennoch kommt Kirche durch all ihre Epochen hindurch nicht ohne Kunst und Kultur aus.
Während Architektur, Raumgestaltung, Musik, Gesang, ja natürlich auch Liturgie und Predigt schon immer kulturelle Wesensmerkmale kirchlichen Glaubensvollzugs waren und sind, so nehmen auch andere kulturelle Ausdrucksformen stetig zu und sind dazu geeignet, die Interaktion zwischen dem binnenkirchlichen Raum und seinen scheinbar originären Anliegen und der „Welt da draußen“ zu verknüpfen und damit neue Ausformungen lebendigen Glaubens zu entwickeln.
Weil Glauben nur im kulturellen Gestalten sinnlich erfahrbar wird, muss uns dieser Austausch ganz im Sinne unserer pfarrlich konzeptionellen Überschrift „Mit Herz, Kopf und Hand für ein Leben in Fülle“ für unser Pastoralkonzept zum Herzensanliegen werden.
Dabei geht es nicht immer primär um Glaubenslernen oder Glaubensvermittlung, sondern mehr darum, den Menschen als zutiefst kulturelles Wesen für seine Sehnsüchte und Fragen aufzuschließen und mittels Kunst und Kultur auch den Diskurs über Gott, das Verstehen der Welt und die Fragen der eigenen Lebensgestaltung anzuregen. So verstanden sind Kunst und Kultur Mittler mit eigenständigem Charakter und dürfen nicht funktional einseitig als religiöse Zubringer missbraucht werden. Eminent wichtig ist auch der Austausch mit Künstlern und Kulturschaffenden selbst, weil sie uns mit ihrer je eigenen Weltsicht unsere oft verengten Blickwinkel weiten helfen können.
Kultur und Kunst in und mit uns als Kirche vor Ort in St. Josef in Herzogenrath-Straß hat schon eine lange Geschichte, weil wir aus pastoralem Blickwinkel die Kirche immer schon als einen multikulturellen und multireligiösen Raum neben seiner eigentlichen kirchlich-liturgischen Nutzung gesehen und genutzt haben.
Verschiedene Exponate wie das Kunstwerk des bedeutenden Künstlers und MISEREOR-Hungertuchgestalters Edoh El Loko aus Togo oder die Leuchten des Herzogenrather Künstlers Jochen Jung oder die Arbeiten der ebenfalls in Herzogenrath ansässigen und sich unserer Gemeinde verbunden fühlenden Künstler Stefanie Weskott und Werner Huppertz mit dem Pendant zum Grundstein unserer Kirche aus Anlass des 100jährigen unseres Gotteshauses in 2012 und der Stele im Gedenken an Joseph Maria Buckkremer, ehemaliger Pfarrer und Weibischof des Bistums Aachen, in Erinnerung an sein mutiges Auftreten gegen die Nazis, geben davon u.a. Zeugnis, wie auch die ersten Stolpersteine , deren Geschichte bei uns in Straß und auf unseren Impuls hin für Herzogenrath seinen Anfang nahm.
Doch mehr noch: Viele kulturelle Einzelveranstaltungen während der letzten Jahre ließen in uns die Erkenntnis wachsen, dass aus unserer Gemeinde, aber auch weit darüber hinaus aus Herzogenrath und der gesamten Städteregion der Zuspruch für solche Art von Kunst- und Kulturangeboten in und mit Kirche wächst und die Rückmeldungen, dort stetig und auch in konzentrierterer Form am Ball zu bleiben, machen uns Mut, die Bemühungen zu intensivieren.
Wichtig ist uns dabei, nicht alleine ein klassisches Kultur-affines Publikum im Blick zu haben und damit Kunst und Kultur zu einer Ausdrucksform für ein kleines Bildungsbürgertum-Klientel vorzuhalten, noch gar zuvorderst der Amüsement-Kultur eine Plattform zu geben, sondern vielmehr durch ein breites Angebotsspektrum den Diskurs zu pflegen und auch zur Interaktion anzuregen und somit auch Themen in einem anderen Gewand bearbeitbar zu machen, die uns in St. Josef mit unserem sozialpastoralen Ansatz auch in der Zusammenarbeit mit den sogenannten „kleinen Leuten“ und auch für sie eine neue Sicht eröffnen helfen kann.
Dass wir dabei den kulturellen Bestand in unserer Pfarre einbeziehen und Akteure dort wie auch bisher schon mitnehmen, ist selbstredend klar. Wir denken hier besonders an unsere gerade neu eröffnete KÖB (Katholisch öffentliche Bücherei) mit ihrer über das reine Büchereiwesen hinaus engagierten Literaturarbeit, an den immer noch aktiven Kirchenchor, an die Aktion „LESERÄTTER“ zwischen der KJG St. Josef und der KÖB und an die langjährigen musikalischen Kontakte mit der Herzogenrather Kapelle Straß, mit dem Streicher-Quartett, an die Orgelmessen, aber auch an die Glockenkonzerte und mehr. Hier wollen wir für Integration Sorge tragen und zu neuen kulturellen Bündnissen anregen, statt in klassisch-tradiert einerseits und avantgardistisch andererseits zu trennen und zu spalten.
Auch unsere Bilderausstellungen in der Kirche und das Projekt „Kino in der Kirche“ in Kooperation mit dem Evangelischen Erwachsenen- bildungswerk im Kirchenkreis Aachen , wie auch unsere neue Kulturreihe „Fünf vor Zwölf“ direkt im Anschluss an den Sonntagsgottesdienst und wo möglich in inhaltlicher Verbindung mit ihm, werden fortgesetzt.
Völlig unabhängig von der Frage, ob wir für dieses zukunftsweisende Pastoralprojekt Zuschüsse bekommen, was wir natürlich sehr erhoffen, werden wir unsere kulturell-künstlerischen Aktivitäten in dann allerdings nur der einzig möglichen Form von Einzel -veranstaltungen, aber auch in Projekten massierter voranzutreiben versuchen.
Aber uns ist natürlich deutlich, dass diese Einzelaktivitäten nicht dazu angetan sind, deutlich voran zu kommen und dass solch ein Ansatz zu seiner Verstetigung und zur Verdichtung der Arbeit auch einen entsprechenden Rahmen braucht, den wir von der Raumgestaltung und dem nötigen Equipment und der künstlerischen und kunstpädagogischen Prozessorientierung und Begleitung her brauchen, um wirklich zur KulturKirche werden und heranwachsen zu können.
Dafür wollen wir uns im intensiven Diskurs zwischen unseren Gemeindeverantwortlichen und KünstlernInnen in einem dreijährigen und ergebnisoffenen Erprobungsprozess die notwendige Zeit nehmen, weil für uns KulturKirche weit mehr ist, als ein Etikett zu haben oder gar einen Status Quo zu labeln.
Aus den Erfahrungen mit anderen Projekten in unserer äußerst experimentierfreudigen Pfarre St. Josef schöpfen wir die Kraft und das Vertrauen, dass wir auch hier einen neuen Ansatz zur Blüte werden bringen können, der letztlich auch ein weiterer Mosaikstein dafür ist, was wir „Mit Herz, Kopf und Hand für ein Leben in Fülle“ in unserem Pastoralkonzept als qualitativen Anspruch zum Ausdruck bringen.
Im Auftrag und Namen der Gemeindeleitung von St. Josef in Herzogenrath-Straß und in Abstimmung mit dem Pfarreirat und Kirchenvorstand unserer Gemeinde
Oktober 2015
Loni Finken, Bernhard Ruhl, Hermann Knopik, Herman van den Berg und Wilfried Hammers